Meran/Brixen (12/13.12.2015)
Wind fegt durch die Seele
Im Geheimnis des Advents fegt ein besonderer, neuer Wind durch unsere Seele, wenn Musik mit freudvollster Besinnung die kommende Zeit ankündigt. So betrachtet, bewegt sich fast alles im Zeitraum der Superlative, wenn im Kursaal in Meran und in der Freinadernetz-Kirche in Milland ein gemeinsames Konzert von Musik/Meran, Musik & Kirche Brixen und Kulturverein als menschlichste Ansprache an das Publikum stattfindet, wie es niemals war. Denn bei den Konzerten ist der Kursaal voll besetzt, während in der Kirche nicht wenige sogar im Stehen einer fantastischen Weihestunde lauschen, wenn über alle Gemütsempfindungen hinweg, sich ein fortdauernder Freudenglanz ausbreitet.
Freilich fegt ein neuer Wind durch unsere Seele wenn bei überragender und nie besser vorsteilbarer Interpretationskunst die "Sonatori del la Gioiosa Marca" mit der weltweit wohl besten Blockflötistin Dorothee Oberlinger konzertieren, die von einer sagenhaften Musikalität beseelt ist. Ganz zu schweigen, wenn sie mit ihrer phänomenalen Technik Antonio Vivaldi und mit ihrer Schülerin Tabea Seibert im Duett Arcangelo Corelli spielt. Frau Oberlinger spielt eine Reihe von Flötengrößen, wobei sie mit ihrem ungemein schön variierenden Ton - der wie ein perpetuierendes Schönsprechen bis in die höchsten Regionen des Diskants anmutet - dem Publikum mit Fabelintonation samt wohlfühligem Spiel atmend Leben einhaucht. Wird die Musik von Vivaldi, die J.S.Bach verehrte, manchmal als überschätzt angesehen, so erleben wir gleich beim Concerto "La Notte" ein zart sachtes Spiel, wenn neben der Solistin, die Violinen, die sanft gezupfte Erzlaute mit Cello Kontrabass und Cembalo nach einem Staccato-Rausch bei "Fantasmi" plötzlich innehalten, um geheimnisvoll ins ergreifende Largo überzugehen. Dann folgt ein fantastisch gespieltes Concerto - von Vivaldi - für Streicher und Continuo mit grandiosen Akzenten bei stupendan Zusammenspiel. Wenn hier die 7 Künstler, also die "Sonatori de la Gioiosa Marca" in blickendem Aufeinanderhören eine Barockweihe Zelebrieren, dann ist das Klangmagie, wo alles erzählt wird, ohne dass gesprochen wird, was sich auch in "La Pastorella" ausdrückt, wo die Flöte etwa beim Largo neben den sanften Pizzicati melodisch zaubert
Zauber summiert sich unvergesslich beim Concerto für Flautino, denn die Flöte ist so klein, dass kaum die Finger nebeneinander Platz finden, doch Frau Oberlinger spielt die Auf- und Abwärtsfolgen der Extremen höhen mit ungeheuer tragfähigem Klang ohne die geringste Schrillheit. Ein Wunder, einfach ein Wunder, und das hören wir auch bei den folgenden Vivaldi Sonaten: "Il Pastor Fido", II Riposo - per il Santo Natale, oder bei "La Follia", wenn beim meisterhaftem Tuttispiel die Flöte (Il Riposo!) mit dem erhabenen, ja sehr schwierigem Zielspiel schlichtweg fasziniert, während bei "La Follia" alle Übrigen mit Martellati und Tremoli ein tolles und unvergesslich schönes Crescendo aus dem sinnlichsten Piano in den Forte - Himmel erheben. Wenn dann beim fein zerlegten Akkordspiel das "Concerto Grosso" Nr.8 von Arcangelo Corelli für zwei Flöten bei bestem Mit- und Nebeneinanderklang mit effektvoller Akzentuierung und mit stilsicherer Harmonik den Konzertschluss markiert, dann ist das Zeit der Sinne und vorausahnende Besinnung
© C.F. Pichler